Nürnberg: Hanna, Maja, Budapest-Komplex: worum geht es hier eigentlich?

Nürnberg: Hanna, Maja, Budapest-Komplex: worum geht es hier eigentlich?

08. Juli 2024 Aus Von oa

Hier findet ihr den allgemeinen Flyer des Solikreises Nürnberg, der gerade 20.000 fach in Nürnberg verteilt wird. Dieser Text soll allen Interessierten helfen, die Geschehnisse einzuordnen und eine breite Öffentlichkeit erreichen. Er wird daher in Briefkästen gesteckt, auf Festen verteilt, in Kneipen ausgelegt… Der aktuelle Stand rund um Maja ist hier noch nicht eingearbeitet, da er bereits vorher erstellt wurde.


Freiheit für Hanna! – Wir sind alle Antifa! – Keine Auslieferung nach Ungarn!

Wer ist Hanna und worum geht es eigentlich?

Hanna ist eine linke Aktivistin, Künstlerin und Antifaschistin. Für viele Menschen – vor allem im Nürnberger Stadtteil Gostenhof – ist sie auch Nachbarin, Kollegin, Freundin und Kommilitonin. Sie wurde am Morgen des 6. Mai in Nürnberg vom LKA Sachsen festgenommen. Die Polizei durchsuchte über Stunden hinweg ihre Wohnung. Die Polizei sperrte rund um ihren Häuserblock ganze Straßenzüge, so dass es für die Bewohner*innen des Viertels kein Durchkommen gab. Warum der ganze Aufriss? Die Generalbundesanwaltschaft wirft Hanna vor, dabei gewesen zu sein, als in der ungarischen Hauptstadt Budapest im Februar 2023 zwei Neonazis verprügelt worden sind. Die Bundesanwaltschaft, die normalerweise gegen Terrorgruppen vorgeht, ermittelt nun wegen Paragraf 129 „Bildung einer kriminellen Vereinigung“. Dieser Paragraf, der eigentlich gegen organisierte Kriminalität verwendet wird, wird einmal mehr gegen Antifaschist*innen in Stellung gebracht. Zuletzt hier in Nürnberg, als die Staatsanwaltschaft sechs jungen Menschen die Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen hat, da sie mit antifaschistischen Graffiti „die Antifa verherrlicht“ haben sollen.

Neonazis in SS-Uniformen dürfen durch die Straßen Budapests laufen – Antifaschist*innen sitzen in Haft

Die Prügelei, die Hanna vorgeworfen wird, fand rund um den sogenannten „Tag der Ehre“ in Budapest statt. Hier in Deutschland ist dieses Nazi-Event kaum bekannt, hat aber einen hohen Stellenwert in der europäischen Neonaziszene. Am sogenannten „Tag der Ehre“, jedes Jahr rund um dem 11. Februar, gedenken die Neonazis ihren historischen Vorbildern. Sie gedenken den Kriegsverbrechern der Waffen-SS und ihren ungarischen Kollaborateuren, die im Februar 1945 Budapest gegen die Rote Armee verteidigten und anstatt zu kapitulieren, einen sinnlosen Ausbruchsversuch unternahmen, bei dem fast alle Nazisoldaten umgekommen sind. Teil dieses ekelhaften Gedenkens ist eine Wanderung, bei der tausende Neonazis in Waffen-SS Uniformen durch Budapest laufen. Rund um den Tag der Ehre kommt es immer wieder zu übergriffen auf Migrant*innen, Andersdenkende, Jüdinnen und Juden, Sinti und Roma sowie queere Menschen. Kein Wunder, denn jedes Jahr kommen die übelsten Neonazis Europas nach Budapest. Mit veranstaltet wird der „Tag der Ehre“ von der Organisation Legio Hungaria, welche 2019 ein Jüdisches Gemeindezentrum in Budapest überfallen hat. Außerdem veranstaltet das in Deutschland verbotene „Blood and Honour“ Netzwerk große Rechtsrockkonzerte im Umfeld des „Tag der Ehre“. Mitglieder von „Blood and Honour“ gehörten zu dem Netzwerk des rechtsterroristischen Nationalsozialistischen Untergrunds NSU. Der NSU war in den 2000er Jahren für 11 Morde und drei Bombenattentate verantwortlich.

Ungarn – Wohlfühlzone für Neonazis und autoritärer Staat

Im Februar 2023 gab es wie jedes Jahr antifaschistischen Protest gegen den „Tag der Ehre“. Mehrere hundert Antifaschist*innen, zum Teil aus anderen europäischen Ländern angereist, demonstrierten gegen das faschistische Treiben. Letztes Jahr hatte der Protest einen ersten Erfolg: Auf Druck des Protests konnten sich die Neonazis nicht wie sonst auf der Budaer Burg treffen, sondern mussten ihre Veranstaltung am Stadtrand starten. Unbequemer Protest, der sich gegen das nationalistische Projekt Orbans richtet, ist der rechten ungarischen Regierung ein Dorn im Auge. Orbans Regierung betreibt seit Jahren eine Umdeutung der Geschichte, die das faschistische ungarische Horty Regime, das mit Nazideutschland zusammengearbeitet hat, rehabilitieren will. Sie gestaltet seit Jahrzehnten den Staat so um, dass bürgerliche Rechte immer weiter abgebaut werden. Orban kann inzwischen Richter absetzen, die Presselandschaft ist nahezu komplett in der Hand des Regierungslagers und sogar die Europäische Union bezeichnet ihren Mitgliedsstaat Ungarn als „Wahlautokratie“, hat Sanktionen erhoben und Gelder eingefroren, da sie die Rechtsstaatlichkeit und die Gewaltenteilung nicht gewährleistet sieht. Neonazis haben in Ungarn eine Wohlfühlzone. Auch wenn sie den Staat manchmal als nicht rechts genug kritisieren, gibt es Verbindungen zwischen den Vertretern der Orban Regierung und den Neonazis. Der Organisator des „Tag der Ehre“ zum Beispiel ist ein Schwager des Parlamentsvizepräsidenten, derden faschistischen Spuk mit 18.000€ aus ungarischen Staatsmitteln fördert. Nicht zuletzt zeigt zeigt sich die politische Stimmung auch im Falle eines verurteilten Rechtsterroristen, der von der Staatspräsidentin begnadigt wurde.

Das rechte Orban Regime und die deutsche Polizei Hand in Hand gegen Antifaschismus

Nachdem mehrere Neonazis, die am „Tag der Ehre“teilnehmen wollten im Umfeld des „Tag der Ehre“ im Februar 2023 verprügelt wurden, fährt der ungarische Staat schwere Geschütze auf. Zwei Antifaschist*innen wurden noch in Budapest festgenommen und eine sitzt seitdem unter unmenschlichen Bedingungen in Haft. Eine der Angeklagten, die Italienerin Illaria, berichtete von Ratten und Bettwanzen in der Zelle, Kälte und Übergriffen. Obwohl die verprügelten Nazis außer Prellungen und Platzwunden keine schweren bleibenden Verletzungen davongetragen hat, fordert die Staatsanwaltschaft in Budapest 16 Jahre Haft für Illaria. Die ungarische Presse ist durchweg geprägt von Vorverurteilungen der Angeklagten. Kurz gesagt: ein fairer Prozess ist in Budapest nicht zu erwarten. Im Gegenteil: der ungarische Staat versucht aggressiv Antifaschist*innen europaweit zu verfolgen und fand mit der Soko Linx beim LKA Sachsen einen ähnlich gesinnten Partner.Die Soko Linx ist berüchtigt für ihre Zusammenarbeit mit Rechten, so sind in der Vergangenheit im rechten Propaganda-Magazin „Compact“ immer wieder Informationen aus Ermittlungsakten der Soko aufgetaucht.

Die Soko Linx führt nun für den autoritären ungarischen Staat die Ermittlungen in Deutschland durch. Sie sucht etwa ein Dutzend von der ungarischen Polizei zur Fahndung ausgeschriebenen Antifaschist*innen. Das führte zu zwei Festnahmen in Deutschland. Hanna sitzt trotz festem Wohnsitz, regulärer Arbeit und Studium, sowie einer gewachsenen sozialen Verankerung in Untersuchungshaft. Maja befindet sich bereits in Auslieferungshaft und beiden droht ganz konkret die Auslieferung nach Ungarn. Die restlichen Gesuchten sind untergetaucht, um sich einer Auslieferung nach Ungarn zu entziehen.

Wir sind alle Antifa.

Was geht mich das an? Wirst du dich als Leser*in vielleicht fragen. Sehr viel. Denn es steht nicht wenig auf dem Spiel. In ganz Europa erstarkt die Rechte, die AfD schmiedet Deportationspläne und in den Niederlanden, Italien, Ungarn sind rechte Regierungen an der Macht. Dort kann man betrachten, was das für uns alle bedeuten würde: In Italien wurde die Sozialhilfe zusammengekürzt und in Ungarn hat die Regierung die Macht über Gerichte und Presse erlangt. Aber auch hierzulande fahren die Bundesregierung und die Landesregierungen einen immer rechteren Kurs. Freiheitsrechte werden abgebaut (z.B. durch Versammlungsgesetze, Polizeiaufgabengesetze, Ausbau der Überwachung…), Aufrüstung und Militarisierung steigen an und mit der europäischen Asylrechtsreform schottet sich Europa immer mehr ab.

Antifaschismus bedeutet, sich rassistischer Politik entgegenzustellen; Antifaschismus bedeutet genauso, sich dem Abbau von Freiheitsrechten entgegenzustellen. Aber Antifaschismus bedeutet vor allem, sich den Faschisten konkret entgegenzustellen, welche die Straßen unsicher machen für alle, die nicht in ihr menschenverachtendes rassistisches, antisemitisches und queerfeindliches Weltbild passen – aber auch für alle, die sich für eine solidarische Welt einsetzten. Deshalb bedeutet die Inhaftierung von Hanna ein Angriff auf alle, die sich eine bessere Welt als diese vorstellen können; ein Angriff auf alle, die sich AfD und Co entgegenstellen; ein Angriff auf alle, die nicht in einer Welt leben wollen in der Faschisten herrschen. Und egal, wie man zu der Frage der Gewalt gegen Faschisten steht, gilt es zu verhindern, dass Hanna und die anderen Antifas an ein rechtes Regime ausgeliefert werden! An ein Regime, in dem sie menschenunwürdige Haftbedingungen und ein Schauprozess erwartet.

Was kann ich tun?

Es kommt auf euch alle an! In Italien konnte durch eine öffentliche Kampagne Druck ausgeübt werden, so dass ein Antifaschist nicht nach Ungarn ausgeliefert wurde!

Deshalb:

  • Informiert euch und andere und klärt eure Freund*innen, Arbeitskolleg*innen, Mitschüler*innen, Kommiliton*innen und eure Familie über den Fall auf!
  • Verteilt dieses Flugblatt kopiert es oder druckt es euch aus!
  • Unterschreibt die Petition gegen die Auslieferung!
  • Kommt zu den Kundgebungen vor der JVA Nürnberg für Hanna!
  • Schreibt den Gefangenen, denn der Knast soll sie von uns isolieren und vereinzeln. Lassen wir das nicht zu!
  • Spendet an die Rote Hilfe: Rote Hilfe Nürnberg
    • GLS Bank IBAN: DE85 4306 0967 4007 2383 59
    • Verwendungszweck: „WirsindalleAntifa“

  • Infos zu lokalen Aktionen findet ihr unter alleantifa.noblogs.org und auf dieser Seite
  • Infos zum gesamten Budapestkomplex findet ihr unter basc.news

Getroffen hat es eine – gemeint sind wir alle.

Die Geschehnisse rund um diesen Komplex entwickeln sich sehr schnell. Stand dieses Textes ist der 14.6.2024. Bleibt daher stets informiert.